Supergrosse Yachten sind nicht nur elegant und luxuriös, sie geben ihren Besitzern nicht nur die Freiheit, die herrlichsten plätze der Erde mühelos anzusteuern. Nein, vor allem sind sie ein unübersehbares Machtstatement – an Orten wie Cannes oder Monte Carlo kann das nur von Vorteil sein. Ein Überblick über die aktuelle Szene.
In unseren so überaus demokratischen Zeiten gibt es immer noch ein paar Reviere, in denen die Reichen und Schönen sicherstellen, dass sie unter sich bleiben. Die Mitgliedschaft in einem BentleyClub zum Beispiel setzt voraus, dass man einen besitzt, Spieler in einer Polomannschaft sollten ein paar qualifizierte Pferde und einen Stall ihr Eigen nennen. Und auch am Yachthafen von Antibes etwa – dem größten Europas – teilt sich die Menschheit in zwei Kategorien: diejenigen, die auf den Yachten feiern, sich blicken lassen und Lebensstil zelebrieren; und jene, die auf dem Kai auf und ab gehen und den Ersteren dabei zusehen. Dort liegen die edelsten Superyachten – definitionsgemäß ab 24 m Länge – vor Anker. Die Megayachten freilich (von 60 m aufwärts) sind für den Hafen zu groß, sie ankern nahe der Küste und sind meist mit Hubschrauber bestückt, um ihren Besitzern die Peinlichkeit zu ersparen, mit dem Schlauchboot an Land zu gehen. Rein von den Dimensionen könnten sie als mittlere Kreuzfahrtschiffe durchgehen und Busladungen an Pauschaltouristen aufnehmen – tun das aber natürlich nicht, weil die Magnaten und deren engste Entourage unter sich bleiben wollen.
Womit wir gleich bei zwei der Gründe sind, weshalb man sich eine Superyacht anschafft: Privatheit und Sichtbarkeit. So nach dem Motto: Alle Welt soll meine Yacht sehen, aber Zugang zu ihr hat nur, wer von mir eingeladen wird. In Antibes, Monte Carlo, Cannes oder St. Tropez sind das große Themen, die Dichte an Superyachten ist hier so hoch wie nirgendwo sonst auf der Welt, schließlich gilt es, bei globalen Gesellschaftsereignissen wie dem Grand Prix von Monte Carlo oder dem Filmfestival von Cannes Präsenz zu zeigen. Die Kenner stehen dann am Alten Hafen von Cannes und wägen die wichtigsten Daten ab: Wer ist da, wer lässt sich blicken (meistens keiner), wie „schwer“ ist er – in Dollar ausgedrückt –, wie heißt das Schiff und wie lange ist es? Bei den diesjährigen Filmfestspielen waren das, um nur ein paar markante Beispiele herauszugreifen: der laut Forbes 9,1 Mrd. $ „schwere“ Roman Abramowitsch mit seiner 162 m langen „Eclipse“, David Geffen (6,9 Mrd. $) mit der „Rising Sun“ (138 m), Microsofts Mitbegründer Paul Allen (17,7 Mrd. $) mit der „Octopus“ (126 m), Larry Ellison von Oracle (54,3 Mrd. $) und Steven Spielberg (3,6 Mrd. $) samt seiner „Seven Seas“ mit der ausgesprochen bescheidenen Länge von 85 m.
Man darf nicht glauben, dass die Bootseigner sich nur dem Müßiggang hingeben, im Gegenteil: Die größten Deals in Cannes, so sagt man, werden auf den Superyachten ausgeheckt, und natürlich steigen auch die exklusivsten Partys dort. Wer etwas auf sich hält, meidet die Hektik der Croisette, wo man es womöglich mit Paparazzi, Schaulustigen und sonstigen Normalmenschen zu tun bekommt. Super- und Megayachten haben rein sachlich einiges für sich: Sie werden von Manufakturen hergestellt, sind in jahrelanger Arbeit sozusagen von Hand gefertigte Einzelstücke. Die Kunden sind in der Regel eine ästhetisch anspruchsvolle Elite, weshalb – von ein paar allzu plüschig-protzigen Ausreißern abgesehen – meist gediegene Eleganz vorherrscht. Und sie vermitteln ein Gefühl von Freiheit, Weite und geographischer Ungebundenheit. Die herrlichsten Plätze der Erde sind umstandslos erreich- und anlaufbar, eine Verheißung, die normalbürgerliche Landratten maximal mit einem Wohnmobil verbinden würden.
Dazu sind diese Schiffe immer auch großes Spielgeld auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten und ein Machtstatement: Hier stehe ich, wer hat ein größeres? Setzen wir also ruhig voraus, dass der Durchschnittseigner einer Superyacht ein ebensolches Ego besitzt. Ohne uns in die Gedankenwelt von Oligarchen hineinversetzen zu wollen, können wir uns vorstellen, dass es einen Roman Abramowitsch wurmt, dass seine mächtige „Eclipse“ nur die zweitgrößte Yacht der Welt ist. Als Nr. 1 gilt nämlich die „Azzam“, ein Kreuzer von staatstragenden 180 m Länge und einer beachtlichen Höchstgeschwindigkeit von 31,5 Knoten (58 km/h) im Besitz des Emirs von Abu Dhabi. Die „Azzam“ wurde übrigens von der Bremer Werft Lürssen Yachts gefertigt, auf deren Konto nicht weniger als vier der zehn weltgrößten Yachten gehen, darunter die „Topaz“, deren Besitzer ebenfalls aus den Vereinigten Arabischen Emiraten kommen soll, sowie die Al Saïd, deren Namensgeber der Sultan von Oman ist. Auch die „Kismet“ und die bereits erwähnten „Rising Sun“ und „Octopus“ stammen von Lürssen. Gerüchtehalber soll Larry Ellison, der ursprüngliche Besitzer der „Rising Sun“, während der Konstruktionsarbeiten eine Verlängerung der Schiffsmaße veranlasst haben, damit sie die „Octopus“ übertrifft – so viel zum Thema kleine Eitelkeiten unter großen Männern. Dafür ist die „Octopus“ das größte private Expeditionsschiff und besitzt ein internes Dock, das ein bis zu 20 m langes U-Boot in sich aufnehmen kann. Dass auch die „Eos“, die mit ihren 93 m die längste Segelyacht der Welt ist, von Lürssen gebaut wurde, ist da fast nur noch einen Nebensatz wert.
SEGEL- ODER MOTORYACHT? Apropos: Segel- oder Motoryacht – wofür soll sich der Durchschnittsmilliardär entscheiden? Warum „oder“?, würde Larry Ellison, Mehrfachtäter bei beidem, entgegnen. Er ist aber auch mehr der sportliche Typ und multipler Teilnehmer am America’s Cup. Das kann man nicht bei allen milliardenschweren Yachteignern voraussetzen, daher, kurz gesagt: Bei einer Motoryacht überlässt man dem angeheuerten Kapitän das Kommando, bei einem Segelschiff hingegen sollte man schon auch selbst etwas können. So mancher Motoryacht ist eine gewisse Schwere, um nicht zu sagen Plumpheit, nicht abzusprechen, dafür ist man von der Witterung mehr oder weniger unabhängig. Bei den Segelyachten hingegen dominieren in der Regel Anmut und Eleganz sowie eine bestimmte natürliche Lebensweise. Man legt selbst Hand an, setzt sich Sonne, Wind und Wasser aus. Die Kajüten sind im menschlichen Maßstab gehalten, man muss sich bücken, um in sie zu gelangen: keine schwimmenden Ballsäle. Die Steuerräder und meist auch die Masten sind aus Holz, die Decks sowieso. Schönheit also bereits im festgetäuten Zustand – ihre ganze Pracht entfalten diese edlen Geschöpfe dann auf See, wenn sie ihre Segel blähen, ihre schlanken Silhouetten förmlich dehnen und allfälligen unruhigen Seegang souverän kontern. Dazu Mannschaften, die ständig hin und her wieseln, mit allerlei Seilen und Tauen hantieren und gelegentlich Masten schwenken. Erst Wind und Wetter erwecken das Ganze zum Leben … Segeln hat was!
SIEGER DER WORLD SUPERYACHT AWARDS So weit zu den Eignern der Superyachten und der Qual der Wahl zwischen Motor und Segel. Jetzt zu den echten Könnern, den Werfteignern, Designern und Konstrukteuren. Die Besten unter ihnen treffen sich einmal jährlich und stellen sich in verschiedenen Kategorien dem Urteil einer Fachjury. Ausgerichtet werden die World Superyacht Awards – quasi die Oscar-Verleihung der Industrie – vom Fachmagazin Boat International, würdiger Veranstaltungsort war heuer der Palazzo Vecchio in Florenz an drei Tagen im Mai.
An den nicht ganz unausgeklügelten Unterscheidungen erkennt man, dass man sich hier in einer Welt von Technikern und Konstrukteuren bewegt, da gibt es zum Beispiel die Kategorie „Verdränger-Motoryacht mit Gasturbinenbetrieb unter 500 kW von 47 m Länge und darüber“. Trotz sperriger Definition: Die Gewinnerin, die „Sibelle“ aus der niederländischen Werft Heesen, kann sich sehen lassen: ein strahlend weißes, geradezu stolzes Aluminiumschiff mit markant vertikalem, schmal zulaufendem – an die Schnauze eines Pottwals oder auch an einen U-Boot-Bug erinnerndem – Bug. Die Silhouette der 49,9 m langen und maximal 19 Knoten schnellen „Sibelle“ besticht, wiedie Designer es treffend ausdrücken, durch ihre „komplexe Einfachheit“. In der dimensionsmäßig darunter liegenden Klasse „42 bis 46 m“ konnte sich Wider mit der „Genesi“ durchsetzen. Die in der Nähe von Ancona ansässige Werft war bislang bei kleineren Booten zu Hause und hat sich erst im Vorjahr aufs Gebiet der Superyachten vorgewagt.
Darüber hinaus gewann die „Genesi“ auch noch den Technologie-Spezialpreis für den „Beach Club“ auf dem Oberdeck, natürlich inklusive Swimmingpool, und ihr innovatives Diesel-/Strom-Antriebssystem. Ein zweifacher Award-Sieger war auch die von der niederländischen Firma Feadship konstruierte „Savannah“, nämlich in der Klasse „Verdränger-Motoryacht mit Gasturbinenbetrieb zwischen 500 und 2.999 kW“ sowie, vor allem, als „Motoryacht des Jahres“. Die 83,5 m lange stahlgraue „Savannah“ überzeugte designerisch – drei sich verjüngende Ebenen, vier AchterdeckPlattformen, Unterwasser-Lounge – ebenso wie technisch durch ihren Hybrid-Antrieb.
Die Segelyachten unter den Preisträgern sind allesamt schlanke, elegante Schönheiten und sogenannte Glattdecker mit durchlaufendem Deck vom Bug bis zum Heck. In der Kategorie 30 bis 39,99 m siegte die von den niederländischen Claasen Shipyards gebaute „Atalante“, der Inbegriff einer leistungsstarken klassischen Yacht: schwarzer Aluminiumrumpf, ein ca. 48,3 m ab Meeresniveau in die Höhe ragender Karbonmast, fein zusammengefügtes Holzdeck und gediegene Mahagoni-Eleganz im Unterdeck.
Aber es muss nicht immer klassisch zugehen, wie die von der finnischen Firma Baltic Yachts gefertigte „Nikata“ beweist, die in derselben Kategorie wie die „Atalante“ angetreten ist und den Jury-Spezialpreis für Design und Leistung abräumen konnte. Die 35-m-Yacht wirkt nicht nur regattageeignet, sie ist es auch: Den Preis des Royal Ocean Racing Club Caribbean hat sie in ihrer Klasse auf Anhieb gewonnen. Die berückend schöne „Unfurled“ von der niederländischen Werft Vitters ihrerseits glänzt mit ihrem weißen Alu-Rumpf mit vertikalem Bug, dem Deck aus hellbraunem Holz und den silberfarbenen Segeln. Dazu die ultramarine See – die Trophäe „Segelyacht des Jahres“ hat die 46 m lange „Unfurled“ völlig zu Recht eingeheimst. Und nebenbei gleich auch die in der Kategorie 40 m und darüber.
Eine Erkenntnis haben die diesjährigen Superyacht Awards jedenfalls gebracht: Im Schiffbau sind die Niederländer eine Großmacht. Aber das waren sie ja eigentlich schon immer. – Zuletzt noch ein Blick in die Design-Zukunft, diesfalls vorweggenommen vom monegassischen Yachtdesigner Wally: Die „Galeocerdo“ ist zwar mit ihren 65 Knoten (120 km/h) Top Speed unter den schnellsten Yachten nur die Nummer vier – aber das Design! Als hätte man sich Anleihen bei Tarnkappenbombern oder Science-Fiction aus Hollywood genommen. „Schneidig“ ist gar kein Ausdruck, die „Galeocerdo“ teilt das Wasser wie ein Schwert.
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