Pfeifen werden im allgemeinen nicht als Luxusgegenstände gesehen. Aber auch hier gibt es geschnitzte Edelholzstücke zu erstaunlichen Preisen.
Wien war in seiner Geschichte schon so manches, aber als Zentrum fürs Schneiden von Meerschaumpfeifen dürfte es weniger bekannt sein. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die bis dahin gängigen Pfeifen aus Ton oder Porzellan nach und nach von solchen aus Meerschaum abgelöst, und da dieser ein gut zu modellierendes Material ist, wurden sie auf mannigfache und künstlerisch anspruchsvolle Weise geschnitzt und verziert. Für die besseren Kreise der Stadt war die kostspielige Meerschaumpfeife ein ausgesprochenes Prestigeobjekt, ja man ließ sie sich sogar fachgerecht „einrauchen“.
Der „Hype“ rührte daher, dass viele der Kunsthandwerker eigentlich Bildhauer waren, also ausgebildete Künstler, die jedoch im Wien jener Zeit nicht übermäßig viel zu tun hatten. Das änderte sich erst mit dem Bau der Ringstraße in den Fünfzigerjahren des 19. Jahrhunderts: Die Bildhauer wandten sich größeren Objekten zu, die künstlerische Qualität der Meerschaumpfeifen ging langsam zurück. Ab jener Zeit wurde der Meerschaumpfeife dann gleich von mehreren Seiten der Garaus gemacht: zum einen vom aufkommenden massenhaften Konsum von Zigarren und Zigaretten, zum anderen von der Entdeckung, dass sich das aus den Wurzelknollen der Baumheide gewonnene Bruyèreholz hervorragend zur Pfeifenherstellung eignete. Bruyère ist glutbeständig, kann relativ viel Kondensat absorbieren und hat schöne Maserungen, die sich durch Beizen bzw. Lackieren nicht verlieren.
All das mit dem Ergebnis, dass die Pfeifen unserer Tage fast ausschließlich aus Bruyère hergestellt werden und die Meerschaumpfeife eine Randexistenz führt. „Aber es gibt sie noch!“, wendet Robert Artner vom Wiener Cigarren & Pfeifen Studio Schober ein, „Und zwar deshalb, weil die Meerschaum im Gegensatz zur Bruyère pfeife keinen Tabakgeruch annimmt. Man kann mit ihr verschiedene Tabake rauchen. Die Kenner besitzen zusätzlich zu ihrer Bruyère auch eine Meerschaumpfeife, um sich damit durch die verschiedenen Tabake durchzuprobieren.“ Wenn man das mit einer Bruyèrepfeife tut, schmeckt sie irgendwann einmal nicht mehr. Daher besitzt der typische Pfeifenraucher auch eine kleine Sammlung an Bruyèrepfeifen: eine für jeden Tabak. Ob Meerschaum oder Bruyère – man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die große Zeit des Pfeifenrauchens vorbei ist. Es hat ein wenig den Nimbus des Behäbigen, des Bedächtigen – was sich wiederum schlecht mit unserer schnelllebigen Zeit verträgt. Auch hier widerspricht Robert Artner: „Wir haben viele Junge, die ein Einsteigerset – Pfeife, Tasche und ,Besteck‘, d. h. Stopfer, Stecher und Kratzer – bei uns kaufen.“ Michael Mohilla vom Wiener Tabak spezialitätengeschäft gleichen Namens sekundiert: „Der Typ des Pfeife rauchenden Studenten ist gar nicht so selten.“
AUF DIE MASERUNG KOMMT ES AN
Der Einstieg ins Pfeifenrauchen kann kostengünstig sein. Man ist bereits mit weit unter 100 Euro dabei, sollte sich dann aber materialmäßig nicht allzu viel erwarten. Ab 100 Euro wird’s qualitativ interessant. Was sind die Kriterien? Erstens die Qualität des Holzes, dazu gehören die Schönheit seiner Maserung – je enger, desto gesuchter, wobei sich die besten im Bereich der Wurzelknolle finden – und die Dauer seiner Trocknung. Sowie zweitens das Maß an Hand bzw. Schnitzarbeit. Der Wiener OnlineVersand Pfeifenkonsulat hat ein geschnitztes Exemplar der dänischen Pfeifenkünstlerin Anne Julie um 12.900 Euro im Angebot. Ein Sammelobjekt, klarer Fall. Und auch bei Pfeifen gibt es, wie beispielsweise bei Uhren und Schreibgeräten, das Phänomen der limitierten Auflagen. „Von Dunhill oder Savinelli finden Sie mühelos limitierte Sets von 2.000 Euro aufwärts“, sagt Robert Artner. Weitere klingende Namen der Branche sind Peterson, Poul Winslow, Stanwell oder Butz Choquin. Deutschlands Branchengrößter ist die seit 1848 bestehende und von Nürnberg aus operierende Manufaktur Vauen. Aber warum nicht seine Sammlung mit den handgearbeiteten Erzeugnissen österreichischer Pfeifenschneider begründen? Beispielsweise mit den phantasiereich geformten Einzelstücken eines David Wagner oder Ludwig Lorenz; oder mit jenen des mit Mooreiche statt Bruyère arbeitenden Josef Prammer.
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